Mobilfunk

Zusammenhang zwischen der Nutzung von Mobiltelefonen und Hirntumoren?

Björn Drechsler, 26.01.2017

 

Seitdem der Gebrauch von Mobiltelefonen alltäglich geworden ist, wird immer wieder diskutiert, ob die von den Geräten abgegebenen elektromagnetischen Felder das Risiko erhöhen, an einem Hirntumor zu erkranken. Mehrere Studien haben den Zusammenhang zwischen der Nutzung von Mobiltelefonen und einem vermehrten Auftreten von Hirntumoren, sogenannten intrakraniellen Tumoren, untersucht.

 

Die größte bis heute durchgeführte Studie, die den Zusammenhang zwischen Mobiltelefonnutzung und Hirntumoren untersuchte, ist die Fall-Kontroll-Studie INTERPHONE [5]. Im Rahmen der sich über 13 Länder erstreckenden Studie wurden Personen im Alter von 30-59 Jahren zur Nutzung von Mobiltelefonen und Schnurlostelefonen befragt. Es wurden 2409 Meningeom- und 2708 Gliomfälle mit Kontrollgruppen verglichen. Die 2010 veröffentlichten Ergebnisse zeigen keinen Zusammenhang zwischen dem Gebrauch von Mobiltelefonen und dem Auftreten von Hirntumoren. Auch eine Nutzung über einen Zeitraum von mindestens zehn Jahren ging demnach nicht mit einem erhöhten Risiko einher (OR = 0,98; CI: 0,76-1,26 für Gliome, OR = 0,83; CI: 0,61-1,14 für Meningeome). Zwar gab es den Verdacht, dass eine bestimmte Gruppe mit einem größeren Risiko verbunden ist, allerdings erlauben die vorliegenden Daten keinen eindeutigen Schluss, da statistische Verzerrungen aufgrund methodischer Mängel nicht auszuschließen sind [5].

 

Eine in Großbritannien durchgeführte prospektive Studie erhob zwischen 1999 und 2005 sowie 2009 die Daten zur Mobiltelefonnutzung bei 791710 Frauen mittleren Alters [6]. Demnach sei das Risiko, bei regelmäßiger Nutzung eines Mobiltelefons an einem intrakraniellen Tumor zu erkranken, nicht größer als bei Nichtnutzern (RR = 1,01; CI: 0,90-1,14). Die Studie fand auch keinen Zusammenhang zwischen Langzeitnutzern (über zehn Jahre) und dem Auftreten von Gliomen oder Meningeomen (RR = 0,78; CI: 0,55-1,10 für Gliome, OR = 1,10; CI: 0,66-1,84 für Meningeome). Jedoch sprechen die Daten dafür, dass die Langzeitnutzung gegenüber der Nichtnutzung mit einem erhöhten Risiko für die Diagnose der Akustikusneurinome einhergeht, wobei das Risiko mit der Dauer der Nutzung steigt (RR = 2,46; CI: 1,07-5,64) [6].

 

Im Mai 2016 präsentierten australische Forscher Ergebnisse einer knapp 30 Jahre laufenden Langzeitstudie [9]. Anhand des nationalen Krebsregisters werteten die Wissenschaftler die Daten von mehr als 19.800 Männern und 14.200 Frauen, die zwischen 1982 und 2012 an einem Hirntumor erkrankt sind, sowie die Nutzungsdaten von Mobiltelefonen im Zeitraum von 1987 bis 2012 aus. Demnach konnte kein Anstieg der Neuerkrankungsrate festgestellt werden. Einen leichten Anstieg von Diagnosen bei Männern in diesem Zeitraum erklären die Forscher mit besseren Diagnosemethoden [9].

 

Eine von Forschern des National Toxicology Program (NTP) in den USA durchgeführte Studie berichtete 2016 über einen Zusammenhang von Mikrowellen-Bestrahlung und Tumorerkrankungen in Tierversuchen [8]. Ratten und Mäuse wurden mit Mikrowellen der Übertragungstechnologien GSM und CDMA bestrahlt. Wie die vorläufigen Ergebnisse zeigen, entstanden bei einigen männlichen Tieren, die einer Frequenz von 900 Megahertz ausgesetzt wurden, Gliome und Schwannome am Herzen, die in der Kontrolle nicht auftraten [8].

 

Eine Fall-Kontroll-Studie aus Frankreich, die zwischen 2004 und 2006 durchgeführt wurde und 253 Gliom-, 194 Meningeom sowie 892 Kontrollen umfasste, fand beim Vergleich von regelmäßigen Nutzern und Nicht-Nutzern keinen Zusammenhang zwischen dem Gebrauch von Mobiltelefonen und Gliom- oder Meningeomerkrankungen (OR = 1,2; CI: 0,86-1,77 für Gliome, OR = 0,90; CI: 0,61-1,34 für Meningeome) [3]. Allerdings ergab diese Studie für die Gruppe der intensivsten Nutzer (mind. 896 Stunden Gesamtnutzungsdauer und insgesamt mehr als 18300 Gespräche) einen signifikant positiven Zusammenhang (OR=2.89;  CI: 1.41- 5.93 für Gliome; OR=2.57; CI: 1.02-6.44 für Meningeome) [3].

 

Einer 2015 veröffentlichten schwedischen Studie zufolge, die 1498 Gliompatienten und 3530 Kontrollen einschloss, erhöht die Nutzung von Mobiltelefonen das Risiko an einem Gliom zu erkranken leicht (OR = 1,3; CI: 1,1-1,6) [1]. Das größte Risiko ergab sich demnach für die Gruppe mit einer Latenzperiode von mehr als 25 Jahren (OR = 3,0; CI: 1,7-5,2). Auch die Nutzung von schnurlosen Telefonen führe zu einem erhöhten Risiko (OR = 1,4; CI: 1,1-1,7). Mit zunehmender kumulativer Nutzungsdauer und einer längeren Latenzzeit steige das Risiko signifikant, ebenso bei Applikation der Mobilfunkgeräte auf vorwiegend derselben Kopfseite (OR = 1,8; CI: 1,4-2,2). In diesem Zusammenhang sei das Risiko des Auftretens einer Gliomerkrankung im Temporallappen am größten [1].

Dieselben Forscher fanden keinen Zusammenhang zwischen Mobiltelefongebrauch und dem Auftreten von Meningeomen [2]. Für die Gruppe der intensivsten Nutzer von Mobil- und kabellosen Telefonen (mehr als 3300 Stunden kumulative Nutzungsdauer über die Lebenszeit) wurde allerdings ein erhöhtes Risiko berichtet (OR = 1,5; Cl: 0,99-2,2). Ein Zusammenhang zwischen bevorzugter Kopfseite der Nutzung und Tumorlokalisation zeigte sich in dieser Untersuchung nicht [2].

 

Weitere Studien fanden keinen Hinweis auf einen Zusammenhang zwischen Mobilfunk-Exposition und Meningeomen. Da es sich bei diesen häufig um langsam wachsende Tumoren handelt, muss eventuell eine längere Latenzzeit berücksichtigt werden, um deutlichere Ergebnisse zu gewinnen [7].

 

2010 berichteten Hardell et al. über ein erhöhtes Risiko einer Gliomerkrankung sowohl für Langzeit- als auch Kurzzeitnutzer [4]. Allerdings könnten die Daten dieser Studie dadurch verzerrt worden sein, dass Angaben zur Mobilfunk-Exposition von Angehörigen verstorbener Patienten bis zu elf Jahre nach deren Tod erhoben wurden. Zudem muss berücksichtigt werden, dass Personen im Alter von 20 bis 80 Jahren in die Studie eingeschlossen wurden und damit die Altersgruppe der 45- bis 75-Jährigen, in der Glioblastome am häufigsten vorkommen, besonders stark vertreten ist [7].

 

Aktuell laufen weitere Studien, die sich mit dem Zusammenhang von Mobiltelefonen und Gesundheitsrisiken auseinandersetzen. MOBI Kids, eine in 14 Ländern durchgeführte Fall-Kontroll-Studie, untersucht den Einfluss elektromagnetischer Felder, die von mobilen Kommunikationstechnologien emittiert werden, auf das Risiko einer Hirntumorerkrankung bei Kindern und Jugendlichen. Die Studie wird ca. 1000 Hirntumorpatienten im Alter von 10 bis 24 Jahren sowie entsprechende Kontrollgruppen einschließen [10].

Bei der COSMOS-Studie handelt es sich um eine prospektive Kohortenstudie, die insgesamt ca. 250000 Frauen und Männer aus Dänemark, Finnland, Schweden, den Niederlanden und Großbritannien einschließen wird. Die Teilnehmer sollen über einen Zeitraum von 25 Jahren nachbeobachtet werden. Informationen zur Nutzung von Mobiltelefonen sollen sowohl durch Fragebögen als auch objektiv anhand des Datenaufkommens von Netzwerkbetreibern gewonnen werden. Da es sich um eine prospektive Studie handelt, kann die Exposition elektromagnetischer Felder durch Nutzung von Mobilfunkgeräten vor dem Auftreten einer Erkrankung berücksichtigt werden. [11]

 

Auf der Grundlage der bislang verfügbaren Studienergebnisse kann kein eindeutiges Urteil in Bezug auf den Zusammenhang von kabellosen Kommunikationstechnologien und Gesundheitsrisiken gefällt werden. Einzelne Studien, die einen Zusammenhang zwischen der Nutzung und dem Risiko einer Hirntumorerkrankung zeigen, werden von größeren Untersuchungen nicht bestätigt. Allerdings kann nicht gänzlich ausgeschlossen werden, dass eine sehr intensive Nutzung von Mobilfunkgeräten das Erkrankungsrisiko erhöhen kann. Es bleibt abzuwarten, in welche Richtung die Daten derzeitiger Studien weisen.

 

Quellen
siehe zentraler Quellennachweis

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