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Die wahre Krankheit ...

 …ist, dass wir nie merken, wenn es uns gut geht.
     
Dieser Satz hat angefangen, sich in meinem Kopf zu formen, seit ich Multiple Sklerose (MS) habe. Diese chronisch-entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems wurde 2010 diagnostiziert und hat mir, gerade 30 geworden,  monatelang die Beine gelähmt. Als ich gegen Ende des Jahres wieder die Macht über meine Beine hatte, schaute ich oft an mir herunter und war unglaublich dankbar und glücklich darüber, laufen zu können. Das bin ich auch heute noch – zuvor jedoch war ich es 30 Jahre lang nicht wirklich gewesen: Es war eben einfach selbstverständlich für mich, laufen zu können. Damals habe ich verstanden, dass Dankbar-Sein auch Glücklich-Sein bedeutet. Und dass wir leider oft gar nicht bemerken, wann es uns gut geht.

 

Kathi M. lebt seit fast zwei Jahren mit der Doppediagnose MS und Glioblastom IV

Das ist das erste Positive an der MS: ein besseres Bewusstsein für das Schöne im Leben. Das zweite ist, dass sie mich schon ein wenig daran gewöhnt hat, Ungewissheit auszuhalten. Und das dritte Glück ist, dass ich wegen dieser Krankheit einmal im Jahr ein Routine-Schädel-MRT machen lassen muss.

Im Juli 2014 war bei einem solchen MRT plötzlich ein 5-Cent-großes weißes Ding in meiner rechten Schläfe zu sehen. Bei Vergleichen mit alten Aufnahmen wurde klar, dass dieses Etwas bereits seit 2012 da war. Deshalb sagte der Radiologe, ich solle ganz beruhigt sein, es sähe aus wie ein gutartiges Meningeom, das wir weiterhin einmal im Jahr beobachten würden und zur Not operieren.
Gegen Ende des Jahres hatte ich viel Stress bei der Arbeit und bekam sehr starke Kopf- und Nackenschmerzen, sowie psychotische Episoden, eine Art 30-sekündiges Déjà-Vu mit Musik, das mich an eine nicht greifbare, schreckliche Situation erinnerte. Wie im Horrorfilm, wenn die fröhlichen Stimmen sich plötzlich verzerren und nicht mehr passen.
     
Das MRT wurde schließlich vorgezogen auf den 26. Januar 2015 und da war das kleine "Meningeom" auf 4x5 cm gewuchert und sah überhaupt nicht mehr gutartig aus. Ich wurde angewiesen, sofort in die Klinik zu fahren, ich müsse operiert werden, es sei ein Wunder, dass ich noch keinen Krampfanfall erlitten hätte.
Unter Tränen rasten mein Freund und ich ins Krankenhaus, wo ich 3 Tage später operiert wurde und der Tumor zum Glück erst einmal ganz herausgenommen werden konnte. Zumindest makroskopisch. Er stellte sich als Glioblastom IV heraus. Ich wusste, was das bedeutet. Gerade war eine Freundin nach nur einem Jahr mit der Krankheit verstorben. Sie war allerdings zunächst anderthalb Jahre auf eine vermeintliche Migräne hin behandelt und der Tumor in dieser Zeit inoperabel geworden.
     
Ganz wichtig war in diesen ersten Stunden und Tagen (das merke ich im Nachhinein), dass mir ganz viele Leute – und nicht zuletzt mein Chirurg –, aufzeigten, dass nichts unmöglich ist. Er erzählte von einer Patientin in meinem Alter, die ein Rezidiv hatte, welches er wieder operieren konnte und die jetzt sogar ein Kind bekommen hat. Sie lebt nun schon 10 Jahre mit der Diagnose Glioblastom. Meine Eltern brachten mich in Kontakt mit einer Mitte-60-jährigen Frau, die vor 8 Jahren ihre OP hatte und seitdem ohne Tumor lebt. Sie erzählte, sie habe sich neben der Behandlung in ihre Zukunft gestürzt, eine Wohnung eingerichtet und Pläne gemacht.

 

 

"Mit der positiven Einstellung lebe ich besser"

 

Es ist unermesslich, wie wichtig solche Positivbeispiele sind. Man braucht irgendetwas, an das man sich klammern kann, denn die Wucht der Diagnose schlägt einem die Beine weg. Ich habe in einem Buch mal den Satz gelesen: Da ist mir mein Leben auf die Füße gerutscht wie eine zu groß gewordene Hose. Und genauso ist es. Es ist ein Trauma. Man ist gezwungen, sich mit dem Tod auseinanderzusetzen. Oftmals überlegte ich beim Einkaufen, ob eine neue Jacke sich wohl noch lohnt. Aber von Anfang an war ich im Kämpfermodus. Mein Vorhaben: Ich will durch die Statistik fallen. Ich will meine eigene Statistik sein. Denn diese Fälle gibt es. Auch, wenn es momentan keine Heilung gibt, gibt es Gründe zu hoffen: Ich konnte operiert werden. Bahnbrechende Therapien stehen kurz vor dem Durchbruch. Das heißt in der Medizin 5-10 Jahre. So lange will ich dableiben und durch erneutes Operieren, erneute Chemo- oder Strahlentherapie diesen Tumor so lange in Schach halten, bis er heilbar ist.
     

Klare Ansage: "Die MS hat es nicht leicht mir mir. Dem Tumor soll es genau so ergehen."

Ich bin nicht immer positiv, ich habe manchmal Schnappatmung vor Angst. Nicht so sehr vor dem Tod, sondern Angst, mein Leben zu verlieren. Ich bin noch nicht fertig mit meinem Leben. Ich will doch noch Kinder... Ich habe Bücher über Selbstheilung gelesen und Berichte darüber, dass oft Menschen länger leben, die sich z.B. sagen: Ich kann doch jetzt noch nicht sterben, mein Sohn muss noch studieren! Und der Körper spürt dies: Dranbleiben! Kämpfen! Wir bleiben hier! - Und er kämpft.

 

Ich bin selbst Trainerin im Mentaltraining. Ich weiß, welche Macht unser Unterbewusstsein und positives Denken haben. Während meiner Chemotherapie waren meine Leukozyten-Werte fast durchgängig auf 2,6 (zwischen 4,5 und 11 ist normal). Nach der Chemotherapie wollte ich unbedingt noch ein paar Monate Behandlung dranhängen, doch meine Onkologin sagte, dass erst die Leuko-Werte wieder ansteigen müssten, die mittlerweile auf 2,1 gefallen waren. Also startete ich ein Selbstexperiment. Eine Woche lang visualisierte ich vor meinem inneren Auge wie wild weiße Blutkörperchen, die wie aus einer Mineralwasserflasche aus meinem Rückenmark gesprudelt kamen. Frrrrrtt!!! Wann immer ich daran dachte: Beim Zähneputzen, beim Autofahren an der Ampel... Frrrrrtt!!! Nach einer Woche waren die Leukos auf 2,8 – Rekord!!! Eine Woche später auf 3,3 und ich durfte weitermachen mit der Chemotherapie. Meine Psychologin und die Onkologin waren begeistert.
Man sagt immer so abwertend: Ach, das ist ja nur Placebo-Effekt. Aber das ist nicht "nur" ein Effekt!!! Das ist krass! Etwas funktioniert, nur weil wir daran glauben. Das ist eine ganz tolle Macht, die wir da haben und die wir unbedingt parallel zur Schulmedizin nutzen sollten: Von innen heraus mitarbeiten, sich die Medikamente  als heilende Flüssigkeit vorstellen, die jede Zelle des Körpers mit Licht erfüllt und schlechte Zellen in gute, heilende Zellen umwandelt.

 

 

Der Erkrankung ihren Schrecken nehmen


Mir ist wichtig, dass ich hier nicht missverstanden werde: Jedem und auch mir kann es passieren, dass die Krankheit so zurückkommt, dass man nichts machen kann. Das bedeutet nicht, dass man nicht positiv genug war oder nicht gekämpft hat. Ich bin mir bewusst, dass mein Leben sehr kurz sein kann. Wenn Leute mir tröstend sagen: "Du, keiner von uns weiß, wie lang er lebt. Ich kann morgen vom LKW überfahren werden", muss ich immer lachen und antworte: "Ja, aber das kann mir ja auch immer noch passieren! Davor bin ich ja nicht geschützt. :-)"

 

Mit der positiven Einstellung lebe ich besser. Ich kann mich ja sonst nur ins Bett legen und warten, dass der Tod kommt. Und was, wenn ich dann doch 90 werde? Dann hab ich mein Leben damit verbracht zu befürchten, dass ich bald sterbe.

Deswegen lebe ich jeden Tag, wie er kommt, gehe zum Volleyball, treffe meine Freunde und Familie, fahre in Urlaub und schmiede weiter Pläne für unsere Zukunft mit meinem Partner. Aktuell beantrage ich gerade eine Reha, damit ich wieder fit für den Job werde. Die Hoffnung kann ich beim letzten Atemzug aufgeben. Warum vorher?


Ich gehe sehr offen mit der Krankheit um und erzähle, wenn sich die Gelegenheit bietet, auch dem Busfahrer oder dem Postboten davon. Ich versuche, immer eine Prise Humor mit einzustreuen, um die Leute nicht in Verlegenheit zu bringen, aber der offene Umgang nimmt dem grauen Phantom Glioblastom seinen Schrecken und seine Macht. Wer mich nicht kennt, ist oft sehr überrascht, wenn er von der Krankheit erfährt, denn man merkt sie mir nicht an.

Ich trage ein Armband von einer Facebook-Gruppe in der ich bin: "Die MS hat's nicht leicht mit mir."

 

Und genauso soll es dem Glioblastom auch ergehen! :-)
      

Kathi M.
 

 

 

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