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Rezidivtherapie: Was, wenn der Tumor wiederkommt?

Neben den stetig verbesserten Möglichkeiten der Neurochirurgie tragen auch Weiterentwicklungen der Strahlen- und Chemotherapie dazu bei, dass viele Hirntumoren heute erfolgreich therapiert werden können. Dennoch können insbesondere hochgradige Gliome aufgrund ihres invasiven Wachstums zurückkehren – man spricht dann von einem Rezidiv.

 

Auf dem 44. Hirntumor-Informationstag sprach Prof. Dr. Jörg Christian Tonn, Direktor der Neurochirurgischen Klinik des Universitätsklinikums München, Campus Großhadern, über therapeutische Möglichkeiten und Verfahren in der Rezidivsituation.

Rezidiv oder Pseudoprogression?

Veränderungen in der MRT-Bildgebung, die auf ein Rezidiv hinweisen, können auch auf eine andere Ursache zurückzuführen sein, etwa eine Vernarbung oder eine Entzündungsreaktion. Vor allem während der ersten drei Monate nach einer Radiochemotherapie ist es nicht sicher möglich, durch die Bildgebung ein Tumorrezidiv von einer therapiebedingten Veränderung, einer sogenannten Pseudoprogression, zu unterscheiden. In dieser Situation wiederholt man die MRT-Kontrolle vier Wochen später oder veranlasst eine histologische Untersuchung. Ist die Kontrastmittelaufnahme nach vier Wochen nicht mehr zu sehen, handelt es sich um eine Pseudoprogression und die Therapie kann wie geplant weiterlaufen. Bleiben Unsicherheiten bestehen, kann heute vielerorts eine FET-PET, eine nuklearmedizinische Untersuchungsmethode, durchgeführt werden. Dadurch können Tumorrezidiv, eine unspezifische Veränderung oder Narbengewebe gut voneinander abgegrenzt werden. Zudem hilft das FET-PET bei der Planung einer Operation oder Strahlentherapie.

 

Kann anhand der Bildgebung nicht zweifelsfrei geklärt werden, ob ein Rezidiv vorliegt oder nicht, muss eine histologische Sicherung durch eine Operation oder eine stereotaktische Serienbiopsie erfolgen.

Individuelle Entscheidung notwendig

Danach stellt sich die Frage: Was ist die beste Therapieoption im Falle eines bestätigten Rezidivs? Da es keine einheitlichen Empfehlungen zur Rezidivtherapie von Gliomen gibt, sollten grundsätzlich sowohl eine erneute OP, Strahlentherapie oder Chemotherapie als auch experimentelle Verfahren in Erwägung gezogen werden. Zusätzlich ist an eine palliative Begleitung zu denken, von der Patienten zu jedem Zeitpunkt profitieren und die daher eigentlich von Beginn an in die Therapie einbezogen werden sollte.

 

Eine Operation kommt dann in Betracht, wenn der klinische Zustand des Patienten dadurch verbessert oder mindestens erhalten und eine komplette Entfernung des sichtbaren Tumors erreicht werden kann. Zudem sollten im Rahmen eines im Tumorboard festgelegten Therapiekonzepts weitere adjuvante Therapien, z.B. eine Re-Bestrahlung oder eine erneute Chemotherapie erfolgen. Der Nutzen einer alleinigen Re-Operation ist dagegen begrenzt, vor allem dann, wenn nur eine Teilresektion des Tumors möglich ist.

Re-Bestrahlung als Mittel der Wahl

Ist das Tumorrezidiv kleiner als 6 cm im Durchmesser und liegt die erste Strahlentherapie mindestens 6 Monate zurückliegt – dann ist eine Re-Bestrahlung mit 36 bis 38 Gy eine sinnvolle Option. Eine andere Form der Strahlentherapie, die nicht perkutan, also von außen mittels einer Strahlenkanone erfolgt, ist die Brachytherapie mit Jod-Seeds. Diese kleinen Kapseln sind in etwa so groß wie ein Reiskorn und mit dem Radionuklid Jod-125 gefüllt. Sie verbleiben über eine Dauer von 20 bis 22 Tagen im Tumor und geben dort lokal eine sehr hohe Strahlendosis von 200 Gy ab. Die Dosis fällt in die Peripherie sehr schnell ab, so dass das umgebende Gewebe nicht geschädigt wird. In der Praxis zeigen sich gute Ergebnisse mit dieser Behandlung, die allerdings nur bei kleinen Läsionen unter 3 cm anwendbar ist. Die Brachytherapie kann auch dann eingesetzt werden, wenn zuvor bereits eine perkutane Strahlentherapie erfolgt ist.

MGMT-Status entscheidend für erneute Chemotherapie

Im Hinblick auf die Chemotherapie im Rezidivfall hat die DIRECTOR-Studie gezeigt, dass der Nutzen entscheidend vom MGMT-Status abhängt. Liegt im Tumor eine Methylierung des MGMT-Promotors vor, profitieren die Patienten von einer erneuten Chemotherapie, wobei das jeweilige Schema (also eine Einnahme an 7 von 14 Tagen oder an 21 von 28 Tagen) keine Rolle spielt. Wichtig ist aber, dass der Progress nicht unter einer Temozolomid-Therapie aufgetreten ist, denn dies zeigt das Therapieversagen des Medikamentes an. Alternativ zum Temozolomid kann die erneute Chemotherapie auch mit Lomustin erfolgen.

Antikörper verbessert Ergebnisse der Chemotherapie

Hinweise auf eine Wirksamkeit in der Rezidivtherapie des Glioblastoms liegen mittlerweile für den Einsatz von Depatux-M vor. Der im Rahmen einer Phase-II-Studie eingesetzte monoklonale Antikörper richtet sich spezifisch gegen das gehäuft in Tumorzellen vorzufindende Protein EGFR. Damit gehört die Behandlung in das Spektrum der Immuntherapien. In der Studie führte die Kombination von Depatux-M und Temozolomid zu einem maßgeblichen Überlebensvorteil gegenüber einer Behandlung mit Temozolomid oder Lomustin allein. Dieser Effekt zeigte sich nur im Kombinationsarm, das heißt, Depatux-M allein war nicht besser als eine erneute Chemotherapie. Schaut man noch genauer in die Ergebnisse der Studie, zeigt sich, dass nur die Patienten deutlich von der Kombination von Depatux-M und Temozolomid profitieren, bei denen zwischen der letzten Gabe von Temozolomid und dem Auftreten des Rezidivs mindestens vier Monate lagen. Die Ergebnisse sind jedoch auch insofern ermutigend, da der Effekt der Kombination nicht vom MGMT-Status abhängt – methylierte und nichtmethylierte Patienten profitierten gleichermaßen.

Keinen Nutzen der Elektrohaube beim Glioblastomrezidiv

Auch elektromagnetische Wechselfeldern wurden in der Rezidivtherapie getestet. Die sogenannten Tumortherapiefelder (TTF), die über Elektroden abgegeben werden, welche dauerhaft auf die kahl rasierte Kopfhaut geklebt werden müssen, sollten die Zellteilung hemmen. Der Effekt dieser physikalischen Methode wurde für das Glioblastomrezidiv in der klinischen Studie mit einer erneuten Chemotherapie verglichen. Die Ergebnisse beider Gruppen zeigten keine Unterschiede. Das heißt, dass die Behandlung des Glioblastoms mit TTF im Rezidivfall versagt hat, zumal die Patienten unter TTF mit erheblichen Einschränkungen im Alltag konfrontiert werden.

Licht gegen Tumorzellen

Die photodynamische Therapie mit der Aminosäure 5-ALA beruht darauf, dass sich diese nach oraler Gabe verstärkt in Tumorzellen anreichert und dort zu dem fluoreszierenden Molekül Protoporphyrin IX umgewandelt wird. Wird dieses Protoporphyrin IX mit Weißlicht beleuchtet, zerfällt es in freie Radikale, die zu einer Schädigung der Tumorzellen führen. Diese Beleuchtung erfolgt während der Tumoroperation über Lichtsonden. Die Freisetzung der freien Radikale stimuliert wiederum eine Immunantwort des Patienten, wodurch weitere Reaktionen gegen die Tumorzellen in Gang gesetzt werden können.

Fazit

Besteht der Verdacht eines Tumorrezidivs, sollten die diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen bezogen auf die individuelle Situation des Patienten ausgeschöpft werden. Hierbei kann grundsätzlich auf alle Verfahren zurückgegriffen werden, die auch bei der Erstdiagnose zum Einsatz kommen. Im Zusammenhang mit neueren Therapieansätzen ergeben sich daraus vielfältige Möglichkeiten, ein Tumorrezidiv erfolgreich zu behandeln.

© 22.05.2019 bdr, Deutsche Hirntumorhilfe e.V. | www.hirntumorhilfe.de

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